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Band-Rezensionen

Band: DER WEG ZUM GLÜCK

Verlag: Bücherhaus Bargfeld
Reihe: KARL MAYS WERKE · HISTORISCH-KRITISCHE AUSGABE

Eintrag von Rüdiger (vom 12.6.2007) (weitere Einträge von Rüdiger)

Leni, Sepp, der König und der Bär, der Krikelanton, eine Hellsichtige, Kampf und Flucht, Dramatik und tiefe Gläubigkeit, es ist schon einiges los gleich im ersten Kapitel. Und wer es schafft, sich die unleugbare Kitsch-Schicht wegzudenken, die über all dem liegt, der kann großen Genuß von dem Buch haben. Sehr menschlich und anrührend kommt er daher, der Karl May, und dass hier Kleinbürgersehnsüchte in etwas grotesker Form ihre Verwirklichung finden, ist im Wilden Westen bei Winnetou oder im Orient mit Kara Ben Nemsi ja nicht anders, nur hier in heimatlicheren Gefilden fällt es vielleicht noch etwas deutlicher auf. Aber, im vollen Bewusstsein all dessen: man kann das Buch schon ernst nehmen, auch sehr ernst, es ist nämlich allerhand dran und allerhand drin, da stört auch das Gewand von Kitsch und Kolportage nicht, man muß es nur wahrnehmen.

Mit Gratwanderungen (symbolischer Art) kannte Karl May sich aus. Deshalb kann er sie auch so schön schildern (Auftritt der Nachtwandlerin im ersten Kapitel). Und an Selbstironie hat es ihm, hier Auftragsschreiber, auch nie gefehlt, wie der Romantitel der vollbusigen Dichterin („Der Schauder-, Schucker-, Schreckenskönig oder der Waldteufel in der Gebirgshölle.Gedichtet und erlebt von Gräfin Furchta Angstina von Entsetzensberg“) sehr hübsch zeigt.

Auch in Sachen Humor sind die Geschmäcker ja verschieden, ich jedenfalls finde den Dialog zwischen Franza von Stauffen und dem Krikelanton sozusagen zum Schreien komisch, habe mich selten so köstlich amüsiert. Und da braucht wirklich ganz und gar nichts gestrafft oder geglättet zu werden, weder von Adalbert Fischers Leuten (für die Buchausgabe 1903/04) noch von späteren Zuschneidern; es wäre doch schade um jede Zeile.

Bergnot, Königskitsch, Unsinn, Klamottenkomik, und dann Liebesweh und Herzeleid, eine May-Mischung der Art, wie sie auch in manch anderem Buche von ihm steht. Um ihren Liebsten aus der Gefängniszelle zu holen, ist Leni bereit, Sängerin zu werden, aber gerade damit macht sie den armen Mann erst recht unglücklich, und wir werden ein paar tausend Seiten später sehen, dass es tatsächlich nie mehr etwas wird mit den beiden, das Leben ist halt nicht immer so nett oder erfreulich wie in der Bearbeitung, und Mistake-Canyons gibt es auch in Bayern. Die Szene, als die beiden im Unfrieden voneinander Abschied nehmen, geht mir ans Gemüt, mag man darüber lachen.

Szenenwechsel: Signor Rialti, Concertmeister, betritt die Szene, sowie Wasserfex und Eichkatzerlpaula, und Fingerlfranz und Peitschenmüller; der Maysche Kosmos ist bunt und vielfältig.

Und dann tritt tatsächlich Richard Wagner auf, man sollte es nicht für möglich halten. Überhaupt: das ganze Buch ist eine erstaunliche Gratwanderung zwischen blühendem Blödsinn und anrührender Erzählung, bizzarem Kitsch und einfühlsamer Menschenzeichnung, Karl May konnte halt allerhand „bedienen“ und ließ wenig aus, und unter anderem das ist, m.E., das Schöne an ihm.

Wassersnot mit treibenden Baumstämmen, diese Szene kennen wir doch ganz ähnlich aus „Durch das Land der Skipetaren“, das ja kurze Zeit nach dem „Weg zum Glück“ entstand, und dann das beeindruckende, einsame Paradies des „Wasserfex“, der sein Glück versteckt vor der Welt und mit sich allein findet, man spürt das Herzblut, das der Autor in diese Figur und in diese Szenerie hineingelegt hat.

Der Peitschenmüller als halluzinierender Alkoholiker, vermutlich Reminiszenz an Ernstthal, und beim illegalen leihweisen Sichaneignen der Noten und der Violine des Konzertmeisters durch den Wasserfex fällt einem natürlich die Geschichte mit der Taschenuhr ein …

Eine Fressorgie, hemdsärmeliger Umgang mit Spiritismus, höherer und niedrigerer Blödsinn, und, leider, einiger Leerlauf auch, manchmal hat man wirklich den Eindruck, May habe sich hier gelegentlich wirklich nicht die geringste Mühe gegeben und Publikum wie Verleger einfach mal ein wenig auf den Arm genommen, und doch macht es im Großen und Ganzen Spaß, das alles zu lesen. Bis auf die Majestätsbeweihräucherung geradezu schamloser Art, das geht denn doch zu weit, und zwischendrin frage ich mich dann manchmal, ob da vielleicht auch mal ein anderer Autor zwischenzeitlich mit am Werk war. So pathetisch wie hier geht es ja sonst nicht einmal in Sachen Winnetou zu.

Oder die vermeintlich komische Nummer um die Schatzheberei mit all ihren Begleiterscheinungen: viel zu lang, und wirkt auf mich auf die Dauer dann doch albern und fad.

Und dann wieder eine verblüffende Stelle wie diese:

„Deine ganze Seel ist dabei gewest; Du hast nicht gesungen, sondern Du hast geweint, keine Thränen, sondern Töne. Und wer das thut, der gehört dem Gesang an und kann nimmer von ihm lassen. Das ist gewiß.“
Er ahnte nicht, daß er, der einfache Naturmensch, jetzt ein tiefes Verständniß verrieth, welches nur Einer besitzen kann, dem Gott ganz dieselben Gaben verliehen hat, welche er an Andern verdammt oder in Fesseln schlagen will.

(Zitatende),

die Qualitätsunterschiede innerhalb weniger Seiten sind des öfteren schon sehr beträchtlich.

Das Wahnsinns-Konzert, das den geneigten Leser im zweiten Band auf besondere Art erfreuen wird, wirft mächtig seine Schatten voraus, und mit dramatischen Andeutungen der Aufdeckung eines alten Geheimnisses und Mordplänen des Peitschenmüller gegen den Wasserfex endet der erste Band …

Ach ja, eins noch: Jahreszahlen, geographische Einzelheiten, Authentizität von Figuren usw. usf., das alles hat mich überhaupt nicht interessiert bei diesem Buch, und darum geht es auch nicht (beim alten Dessauer übrigens auch nicht …). Und wo Scheibenbad, die Alm und all das liegen, das interessiert auch weder Karl May noch mich; irgendwo in Bayern halt, oder auch: in seinem Herzen und seiner Phantasie. Und das reicht völlig.

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Auflage: 1 (einzige)