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Band-Rezensionen

Band: WINNETOU und der Scout

Verlag: Nymphenburger München
Reihe: Karl May in der nymphenburger (Rote Reihe)

Eintrag von Rüdiger (vom 28.7.2008)

Was diese „Rote Reihe“ soll, hat sich mir nie so ganz erschlossen. Es ist alter Wein in neuen Schläuchen, dazu noch bearbeitet.

Der „Scout“ von Karl May enthält die Handlung um Old Death, die er später, leicht überarbeitet, in Winnetou II veröffentlicht hat. Dabei betreffen die Überarbeitungen die Handlung eigentlich überhaupt nicht, der Unterschied ist lediglich, dass der Ich-Erzähler im „Scout“ noch ein Greenhorn ist, während er es in Winnetou II nur spielt, also nur so tut, als ob. Schon diese Überarbeitung durch Karl May selber ist ja etwas fragwürdig, allerdings durchaus interessant, da das Thema Schein und Sein, Spiel, Verstellung, ihn lebenslänglich begleitet hat.

(Ob man das alles in Bad Segeberg überhaupt weiß und sich mit verschiedenen Fassungen und Feinheiten jemals beschäftigt hat, möchte ich doch stark bezweifeln, das liest sich ja in der Rezension von Thomas Schwettmann, als handele es sich bei den Familienveranstaltungen im hohen Norden um so etwas wie etwa die Bayreuther Festspiele, und lässt mich nur kopfschütteln. Ebenso die Aussage, man könne sich die „Scout“-Fassung in dieser Buchausgabe „mit ungebremster Lust erlesen“ (!), nachdem der Schreiber vorher gerade mit Recht erläutert hat, was alles gegen die hier vorgenommene Bearbeitung durch Dritte einzuwenden ist.)

Die Vorgehensweise der Macher des Bandes ist indiskutabel, und es ist in diesem Fall ganz in Ordnung, daß man dem Unternehmen seinerzeit "an den Karren gefahren" ist. "Ein neuer Winnetou-Roman, hundert Jahre verschollen", so ein Quatsch. "Die Sensation" usw., unseriöses Geschwätz.

Was fällt noch auf, eine Einteilung in siebenunddreißig Kapitel mit sinnigen Überschriften wie "Die Banditen werden überlistet", "Die Bande geht in die Falle" usw., das kennt man so ähnlich schon von woanders.

Und über undurchdachte, floskelhafte Formulierungen kann ich mich ärgern: Karl May habe vor der Entdeckung durch Fehsenfeld zu den "unbekannten Hungerleidern" gehört; er hat wenig Geld verdient, das ist wohl richtig, aber zu essen wird er schon gehabt haben, mit solch bürgerlich-kotzigem Gehabe (von wegen "Hungerleider") sollte man vorsichtiger sein.

Kein Hinweis auf den geänderten Titel, und wenn ich lese von wegen "dem Lesebedürfnis unserer Zeit angepaßt" weiß ich, was ich von der ganzen Angelegenheit zu halten habe, nämlich herzlich wenig.

In Fußnoten meint man, Begriffe wie "Ballerina" oder "Mulattin" erklären zu müssen, "Karl May spielt hier autobiographisch auf seinen Lehrerberuf an" als Fußnote auf der dritten Textseite ist auch Quatsch, ganz bewußt schreibt der Ich-Erzähler ja eben nur "meinem Beruf", ohne diesen zu nennen, und entscheidet sich dafür, das, was er da vorträgt, als allgemein gültig bzw. allgemein möglich stehen zu lassen; das, was er schildert, kann man in nahezu allen anderen "Branchen" halt auch erleben.

Der verglichen mit Vorwortautor Hansen wesentlich lesenswertere Siegfried Augustin schreibt in seinem Nachwort sehr schön von Ich-Erzähler, Ohlert und Old Death als "drei Aspekten" von Mays Persönlichkeit; und am Ende "Ohne diese Zusammenhänge zu vertiefen - dies würde den Rahmen eines Nachwortes bei weitem sprengen - , zeigt sich bereits aus diesen Andeutungen, daß gerade diese Geschichte aus dem Wilden Westen durchaus eine 'dritte' Dimension hat, die sie über die vordergründig spannende Handlung hinaus lesenswert macht." Nun, ich persönlich würde May ohne diese Dimension vielleicht gar nicht lesen, diese Dinge sind es, die den Autor interessant machen, nicht die Abenteuerchen, die sind Beiwerk.

Eintrag von thoschw (vom 6.6.2005)

„Winnetou und der Scout“, der 1995 erschienene erste Band der „Roten Reihe“ von Nymphenburger ist trotz der völlig mißratenen, dilettantischen Coverzeichnung sicherlich der erfolgreichste der kleinen 6-teiligen Karl-May-Serie. Bereits ein Jahr später reagierte man in Bad Segeberg und inszenierte dort ein gleichnamiges Bühnenstück nach der Urfassung der von May später in den „Winnetou II“-Roman integrierten und dabei relativ stark überarbeiteten „Scout“-Erzählung.

Dieser Band ist als Neusatz-Leseausgabe bislang noch einzigartig, weder KMV noch HKA bieten den Text bis jetzt an, die Erzählung liegt außer als Reprint lediglich als E-Text auf den Internetseiten der KMG und der KMS sowie auf CD-Rom „Karl Mays Werke“ vor. Um so unverständlicher sind die Eingriffe der Herausgeber Augustin & Hansen in den Text. So wurde jeglicher Hinweis auf den Ku-Klux-Klan getilgt, darunter auch eine mehrseitige Beschreibung dieses rassistischen Geheimbundes. Man mag sich fragen, welchen Zweck diese Bearbeitung haben sollte. Mays Beurteilung ist klar, er spricht sich eindeutig gegen diese teuflische Vereinigung aus, ein Unterdrücken seiner Ansichten kann deshalb kaum mit political correctness begründet werden, im Gegenteil setzt sich die Bearbeitung eher den Verdacht aus, die Anklage gegen den Klu-Klux-Klan zu unterdrücken. Dabei ist eine solche Vorgehensweise töricht und lächerlich zugleich, da jeder Karl-May-Leser aufgrund von „Winnetou II“ ehedem weiß, was May von dem Klan hielt, so daß allenfalls suggeriert werden könnte, daß May diese Thematik erst bei der Bearbeitung der Erzählung für die „Winnetou“-Buchausgabe eingebracht hätte.

Subtiler ist da schon die Umbenennung eines Apachen. Im Original heißt es: „Der »alte Jüngling«, so hieß der Anführer von Winnetou's Leuten, bemerkte das (...).“ Hansen & Augustin gefiel der Name wohl nicht, sie änderten ihn: „Tschishuki, der »Rabe«, , so hieß der Anführer von Winnetou's Leuten, bemerkte das (...).“ Warum? - fragt man sich irretiert – Bearbeiterstolz, eine Figurennameneigenkreation eingeschmuggelt zu haben? Desgleichen die zahlreichen Kapitelüberschriften: Mays Einteilung in 6 Teile ist da wesentlich praktischer und übersichtlicher als die Hackstückelei in 38 Abschnitte, die den Herausgebern allerdings die Gelegenheit bietet, sich entsprechend viele Untertitel auszudenken. Derartige Textänderungen werden in Vor und Nachwort, in denen die Entstehung der Erzählung thematisiert wird, natürlich wohlweislich verschwiegen.

Dennoch, durch diese vollkommen überflüssigen Eingriffe leidet der Text glücklicherweise nicht etwa derartig, daß diese Flair und Reiz der „Scout“-Urfassung entscheidend beeinträchtigen könnten, so daß man sich die einmalige Greenhorn-Geschichte auch in dieser bearbeiteten Ausgabe mit ungebremster Lust erlesen kann.


 
Auflage: 2
Auflage: 1