Eintrag von Rüdiger (vom 26.2.2005) (weitere Einträge von Rüdiger)
Soll ein Buch seinen Zweck erreichen, so muß es eine Seele haben, nämlich die Seele des Verfassers. Ist es bei zugeknöpftem Rock geschrieben, so mag ich es nicht lesen.
[Karl Mays Werke: Old Surehand III, S. 439. Digitale Bibliothek Band 77: Karl Mays Werke, S. 57014 (vgl. KMW-IV.20, S. 342)]
Die „Himmelsgedanken“ sind bei sehr aufgeknöpftem Rock geschrieben, und deshalb berühren sie mich nach wie vor. „Ich fragte zu den Sternen“ begleitet mich seit meiner Kindheit und vermag mir nach wie vor einiges zu sagen, ebenso „Ich kehre heim“. „Ich bin so müd …“ wird von Leuten, die etwas davon verstehen, unter formal-ästhetischen Aspekten gelobt.
Freilich, viel Weizen, viel Spreu, und einiges ist wirklich arg. Das Buch hat halt die Seele des Verfassers, und so ist es auch, es ist viel unbeholfenes dabei, misslungenes, kitschiges. Aber während mich Gedichte von Goethe beispielsweise völlig kalt lassen, wegen des zugeknöpften Rockes eben, schaue ich in die manchmal auch unfreiwillig komischen holperigen Verse des alten Mannes immer wieder gern hinein, da hat einer was mitzuteilen, und er tut es auf die ihm gemäße Art, offen, naiv, ungeformt. Wie ein Kind. Und das ist schön.
Zum 163. Geburtstag Karl Mays am 25. Februar 2005 hat der rührige Ralf Schönbach einen Reprint der „Himmelsgedanken“ herausgebracht.
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